1998, vor zwanzig Jahren, war das Wort „Storytelling“ oder überhaupt das Arbeiten mit Geschichten in deutschen Unternehmen noch völlig unbekannt. Damals erntete man allerhöchstens Befremden in den Gesichten, wenn man von “Storytelling” sprach. Heute ist der Begriff allgegenwärtig. Aber wie kam es nach Deutschland und in deutsche Unternehmen?
In den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts war ich als freiberuflicher Berater und Konzeptioner für Unternehmenskommunikation tätig. Ich verfasste Konzepte für Webseiten und Broschüren, entwickelte Kampagnen und Slogans, schrieb Drehbücher für Unternehmensfilme und für interaktive Multimedia-CD-ROMs (damals das ganz heiße Ding). Ich arbeitete sowohl für große Konzerne wie Siemens und BMW als auch für Mittelständler und Start-ups.
Anfang 1998 kam ich mit meinen beiden Kollegen Hermann Sottong und Karolina Frenzel nach einer gemeinsamen Kundenpräsentation in ein Gespräch. Wir alle hatten das Gefühl, dass man über ein Unternehmen mehr erfährt, wenn man den Geschichten in der Kaffeepause lauscht als aus den Hochglanzpräsentationen im Meeting-Raum. Aus dieser Beobachtung entstand die Idee, die Geschichten von Mitarbeitern zu sammeln, auszuwerten und so herauszufinden, wie die Kultur der Organisation funktioniert und welche verborgenen Regeln im Unternehmen gelten. Für jedes Change-Projekt müssten solche Informationen ja Gold wert sein.
Gut. Wir hatten uns also eine Methode überlegt, jetzt brauchte das Kind noch einen Namen. Genau zu dieser Zeit traf ich einen Freund, den Künstler Walter Siegfried, der mir erzählte, dass er gerade in Amerika bei einer Konferenz mit dem Titel „Storytelling after Cinema“ gewesen sei. Das Wort „Storytelling“ hörte ich da, glaube ich, zum ersten Mal, doch es elektrisierte mich sofort: Es ging ja in unserer neuen Methode um das Erzählen von Geschichten! Also nannten wir unseren Ansatz „Storytelling-Methode“ – was im nachhinein manchmal ein wenig für Verwirrung sorgte, ging es bei uns doch eher um Storylistening als um Storytelling. Dass andere Menschen genau zu dieser Zeit auch mit Geschichten zu arbeiten begannen und ebenfalls den Begriff „Storytelling“ dafür verwendeten, wussten wir nicht. Aber das ist eine andere Geschichte, nämlich die von Christine Erlach von Narrata.
Wir sprachen mit mehreren Unternehmen über unsere Storytelling-Methode und ernteten meist Befremden. Storytelling? Was ist das? Wollen Sie uns Märchen erzählen? Wir sind ernsthafte Ingenieure, für so etwas haben wir keine Zeit! Schließlich bekamen wir jedoch die Chance, unsere Methode auszuprobieren und bekamen dann, im Herbst 1998, den ersten großen Storytelling-Auftrag bei Siemens.
Über unsere Erfahrungen mit dieser und weiteren Methoden schrieben wir mehrere Bücher und machten damit auch den Ansatz des Storytelling in Deutschland bekannt. Zunächst mit meinen damaligen Partnern, später alleine und an der Hochschule und schließlich gemeinsam mit Christine Erlach von Narrata entwickelten wir immer weitere narrative Ansätze. Der Begriff “Storytelling” trifft es schon lange nicht mehr: Es hat sich ein umfassender narrativer Ansatz für die Arbeit in ganz unterschiedlichen Bereichen in Organisationen entwickelt.
Seit 20 Jahren arbeite ich nun schon mit Storytelling, Storylistening und narrativen Methoden in Unternehmen. So weit wir wissen, waren Narrata und wir unabhängig voneinander die ersten, die den Begriff Storytelling und narrative Ansätze im deutschsprachigen Raum verwendeten. Und ich bin überzeugt, dass darin auch noch Potenzial zur Weiterentwicklung für die nächsten 20 Jahre steckt.
Die andere Geschichte: Zu Christine Erlachs Geschichte von den Anfängen des Storytelling in Deutschland.
Unsere Erfahrung mit narrativen Ansätzen und Storytelling geben wir in den Praxisseminaren „Professionelles Storytelling im Unternehmen“ weiter.